Liebe TIME2TRI-Leser, im nachfolgenden Blog berichte ich von meinem Triathlon-Saisonabschluss und versuche Euch wieder einen Blick hinter die Kulissen meiner Arbeit zu geben.
Kailua-Kona, Hawaii. Kaum ein Ort elektrisiert Triathleten und Triathlon-Fans auf der ganzen Welt mehr als diese Kleinstadt im Pazifik. Auch für Triathlon-Fotografen ist dies sicherlich „the place to be“, wenn die Tage in Europa langsam kürzer werden und der Oktober vor der Tür steht.
In diesem Jahr ging es für mich zum ersten Mal auf die Trauminsel. Viele Orte und Straßen kennt man bereits vom Namen, umso beeindruckender z.B. einmal über den Queen-K Highway zu fahren (wenn auch mit Auto), die Hitze im Energy Lab zu spüren, oder die Scharen von durchtrainierten Läufern auf dem Ali’i Drive zu verfolgen. In der Rennwoche konnte ich mir nahezu alle Rennabschnitte anschauen und im Rahmen von Shootings diese auch mal einem Kamera- Test unterziehen. Vermutlich ähnlich wie bei den Athleten stellte sich bei mir mit Abholung der Rennunterlagen (sprich: Akkreditierung) ein leichtes Kribbeln und eine positive Anspannung ein. Die Pressekonferenz der Top-Athleten machte einem nochmal bewusst, wie groß der Favoritenkreis für den Renntag ist. Wenngleich die Siegertipps bei Herren und Damen sich doch sehr stark ähnelten, war ich gespannt welche Überraschungen das Rennen dieses Mal bereithielt.
12. Oktober 2019 - 3:00am. Das frühe Aufstehen fiel mir erstaunlich leicht. Die Müdigkeit schien von Vorfreude besiegt worden zu sein. Ein schnelles Frühstück und ich lud Kamera-Ausrüstung und Unmengen an kühlen Getränken in meinen Mietwagen. Da die Fahrräder am Wettkampftag leider Mangelware auf „Big Island“ sind, musste ich mir im Vorfeld einen Plan überlegen, um möglichst viele Streckenpunkte mit einer Kombination aus Auto & Laufen zu erreichen.
Die frühe Ankunftszeit im Zentrum von Kailua-Kona wurde mit einem sehr gut gelegenen Parkplatz belohnt. Hinter das erste Tagesziel konnte ich somit einen Haken setzen.
Unter grellem Scheinwerferlicht strömten die Athleten bereits in die Wechselzone. Ein kurzes Gespräch mit den Kontrahenten, Radschuhe fixieren, Schwimm-Vorbereitung - Momente, bei denen sich aufgrund der diffusen Lichtverhältnisse ein Objektiv mit großer Blende bezahlt macht. Am Rande des Vorstartbereichs konnte man den Athleten ein letztes Mal vor dem Kanonenknall tief in die Augen schauen. Ein Lachen bei Lucy Charles, ernste Miene bei Anne Haug - jeder geht unterschiedlich mit den letzten Minuten vor dem großen Rennen um.
Der Blick auf die Bucht war wirklich beeindruckend. Das gegenüberliegende Ufer wurde von Hunderten Zuschauern gesäumt. Ich entschied mich für eine kleinere Brennweite, um möglichst viel an Atmosphäre und Szenerie auf den Startbildern festzuhalten.
6:25am. Start. Die Jungs feuerten in ähnlichem Tempo wie meine Kamera los. Mit dem Unterschied, dass meine Nikon D5 das Tempo nur für wenige Sekunden halten musste.
Ich machte mich zügig auf den Weg zum ersten Radspot am Kuakini-Highway. Da ich im späteren Verlauf der Radstrecke vor allem seitliche Bilder geplant hatte, war dieser Spot für Frontalaufnahmen gedacht. Gerade, wenn die Umgebung nicht ganz so viel hergibt, oder wie in diesem Fall Stromleitungen ein weitwinkliges Motiv stören würden, sind Bilder von vorne mit niedriger Tiefenschärfe eine gute Option. Die Spitze der Herren rauschte vorbei und ich war überrascht als ich Patrick Lange in der vordersten Gruppe entdeckte. Aufgrund der langen Fahrzeit hinaus zu den Lava-Feldern ging es leider noch vor den ersten Frauen zum Auto. Circa eine Dreiviertelstunde später erwies sich dies aber als goldrichtig, denn noch bevor ich das Auto abgestellt hatte, näherten sich die Kamera-Hubschrauber bereits „bedrohlich“ meinem ausgewählten Spot. Mit einem Sprint schaffte ich es wenige Sekunden vor der Vorbeifahrt der Führungsgruppe meine Position in den Lavafeldern zu beziehen. Kurzes Durchatmen, das war knapp. Als meine Kamera Jan Frodeno fokussierte, konnte ich erkennen, dass er genau in diesem Moment ein Hang-Loose-Zeichen zum vor ihm fahrenden Kamera-Motorrad machte. Ein „Lucky Shot“ - aber manchmal ist das Glück auf deiner Seite. Nachdem ich jetzt auch zum ersten Mal die Damen ablichten konnte, ging es für eine Getränkepause zum Auto. Auf dem Weg dorthin begegnete mir Andi Böcherer, der bereits wieder umgezogen auf dem Weg zu seiner Familie war. Der Grad zwischen Enttäuschung und Erfolg ist verdammt klein, dachte ich mir. Der Ausstieg von Patrick Lange, Franz Löschke und Andi Dreitz passte nur zu gut zu diesem Gedanken. Inzwischen befand sich die Herrenspitze auf dem Rückweg von Hawi und ich kletterte ein letztes Mal zwischen die schroffen Lavafelsen. In der prallen Sonne war es schon recht warm, doch ich empfand die Temperaturen noch als halbwegs erträglich. Zumindest, wenn man nicht selbst Sport treiben muss. :)
Mit ordentlichem Tempo schossen die führenden Herren vorbei. Noch hatte sich Frodeno nicht von der Gruppe um Brownlee und O’Donnell abgesetzt. Nachdem Kienle und Wurf vorbeigekommen waren, ging es bereits wieder zum Auto, um eventuell noch die Spitze auf den ersten Kilometern am Ali’i Drive zu erwischen. Es funktionierte und ich positionierte mich dort, wo Jan Frodeno vor zwei Jahren unter Schmerzen das Rennen aufgeben musste. In einer kleinen Bucht am Ali’i Drive, in der man aus seitlicher Perspektive das Meer im Hintergrund sehen kann. Der Abschnitt liegt einige Kilometer entfernt vom Start-/Zielbereich, vielleicht ein Grund weshalb sich kaum Zuschauer dorthin verirrt hatten. Angesichts der Bilderbuchkulisse war ich ganz froh darüber. Dennoch ein wenig surreal, dass man fast alleine mit den Athleten dort draußen ist, und zugleich (hundert?-)tausende Zuschauer auf der ganzen Welt gebannt die Live-Übertragung schauen.
Als Nächstes ging es dann zu der Stelle, wo sich auch vor Ort viele Zuschauer versammelt hatten, dem Zielbereich. Ich war in den Tagen zuvor bereits sehr überrascht, dass der Bereich deutlich kleiner war als in meiner Vorstellung. Entsprechend früh wollte ich dort sein, da ich auch die Platzverhältnisse auf der Foto-Tribüne noch nicht kannte. Letztendlich konnte ich mir aber noch einen Platz aussuchen. Objektivtechnisch entschied ich mich für eine Kombination aus 300mm für Detailaufnahmen und 70-200mm für weite Bilder mit dem gesamten Zielbogen. Auf der Leinwand hinter der Tribüne konnte man das Geschehen auf den letzten Kilometern noch gut verfolgen, bis dann in der Ferne ein Läufer mit weiß-schwarzem Anzug zu sehen war. Definitiv einer der fotogensten Zieleinläufe, die ich bisher bei einem Triathlon ablichten durfte. Der aufwendige Blumenschmuck, die hawaiianischen Fackelträger, die kleine idyllische Kirche, die hinter dem Zielbogen herausschaut, ein Motiv das wohl kaum ein WM-Zieleinlauf einer anderen Sportart zu bieten hat. Auch hier ließen sich wieder ganz unterschiedliche Emotionen festhalten. Pure Freude wie z.B. bei Tim O’Donnell und seiner Familie, aber auch Athleten die es vor Erschöpfung kaum ins Ziel schafften. Diesen Kontrast habe ich versucht so gut es geht einzufangen.
Einige Zeit und viele Schweißtropfen später ging es zurück zum Auto. Doch ein Highlight des Tages, auf das ich mich im Vorfeld besonders gefreut habe, stand noch bevor. Das Energy-Lab im Abendlicht, bzw. beim Sonnenuntergang, wollte ich mir auf keinen Fall entgehen lassen. Jetzt kam auch mal der Blitz zum Einsatz, sodass sich das zusätzliche Gewicht doch noch gelohnt hatte. Um Personen vor leuchtenden Himmel gleichmäßig gut zu belichten, ist ein Blitz wirklich unverzichtbar. Ansonsten setze ich ihn sehr dosiert ein, aber in solchen Momenten bin ich ein großer Fan der Möglichkeiten einer zusätzlichen Lichtquelle. Nach den Aufnahmen setzte ich mich einen Moment an den Straßenrand, schaute den vorbeilaufenden Altersklassen-Athleten zu, die kurze Zeit später in der Dunkelheit verschwanden, und ließ den Tag gedanklich noch einmal vorüberziehen. Ein großes Ziel im Bereich der Triathlonfotografie hatte ich mit diesem Tag erreicht. Doch das Feuer für diesen Sport, die Neugier nach unentdeckten Motiven, ist dadurch nicht im Geringsten erloschen - im Gegenteil. Danke an dieser Stelle an alle, die mich auf diesem Weg bisher begleitet und unterstützt haben. Mahalo.