Es geht wieder. Nein, bedauerlicherweise muss es aktuell wiederheißen: Es ging wieder. Für ein paar wenige Wochen war Katalonien kein Risikogebiet mehr und die Einreise war zumindest mit dem Auto problemlos möglich. Also spontan eine Woche Urlaub genommen, morgens um 6 Uhr in der Pfalz noch schnell einen Espresso genommen und den Iced Latte gab es dann um viertel nach fünf am Nachmittag bereits im Espresso Mafia in Girona. Catalunya, here we are!
Auch wenn ich mir immer vornehme, dieses Mal im Urlaub mal länger zu schlafen, ein Buch zu lesen oder einfach mal die Füße hochzulegen, so ist diese Region im Norden Spaniens jedes Mal aufs Neue doch so eine üppig gefüllte Inspirationsquelle, dass diese guten Vorsätze schnell über Bord geworfen und ich mich in das pralle Radfahr- und Kulinarikvergnügen stürze. Zu viele Straßen, die entdeckt, zu viele Pässe, die erklommen, zu viele Cafés, die getrunken und zu viele Menschen, denen begegnet werden möchten.
A little bit of this, a little bit of that
Traditionsgemäß führt einer der ersten Fußwege durch die Altstadtgässchen Gironas in eins der lieb gewonnen Cafés, zum Beispiel das La Fabrica, Espresso Mafia, Hors Catégorie oder Coffee and Greens. Heute muss aber nach den Monaten des Girona-Entzugs das La Comuna in der Carrer des Bellaire ausprobiert werden. Das von Emma und Jan Frodeno im Frühjahr dieses Jahres eröffnete Café und Boutique Hotel bietet neben dem legendären Frodissimo Café eine erlesene Auswahl an Speisen und Getränken, die äußerst liebevoll und einem quirlig-sympathischen Team zubereitet werden. Australien lässt an allen Stellen grüßen Aussie Style trägt ebenso einen wichtigen Anteil. So lautet die Beschreibung meiner neuen Lieblingsbowl etwa „a little bit of this, a little bit of that“. OMG – I love it!
Eine schier unglaubliche Auswahl an Möglichkeiten
Ebenso traditionsgemäß führt einer der ersten Radwege auf die Küstenstraße zwischen Sant Feliu de Guixols und Tossa del mar. Von diesem ca. 25 Kilometer langen Küstenabschnitt entlang der Costa Brava kann ich einfach nie genug bekommen. Und dann geht es schon wieder los mit den Entscheidungen, die aufgrund der Kürze des Urlaubs getroffen werden müssen. Lieber wellig entlang der Region Emporda mit einem Kaffeestopp im Rustik in Bellcaire oder lieber eine der kleineren Auffahrten in Gironas bergigen Hinterland – Els Angels oder Rocacorba? Oder doch lieber hoch zum Lake Banyoles und von dort rein in La Garrotxa und die Pyrenäenausläufer? Mare des Deu des Mont oder Santa Marti Sacalm? Oder doch ein Ausflug nach Cadaqués? Die Auswahl ist einfach schier unglaublich und auch dieses Mal muss ich mich wieder entscheiden.
Respekt und Rücksicht auf den Straßen
Das Gute dabei: Egal, auf welche Ausfahrten die Wahl fällt. Sie alle eint, dass sie landschaftlich schön, teils sogar atemberaubend und stets von respektvollen Autofahrern und anderen Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern geprägt sind. Und das ist ein großer Teil der Besonderheit für mich, die das Radfahren in Katalonien ausmacht. Radfahrerinnen und Radfahrer sind ein respektierter Teil des öffentlichen Verkehrs. In unseren Tagen im Juni haben wir uns in der beschriebenen Fülle der Möglichkeiten für eine Tour nach Barcelona entschieden. Hin über besagten Küstenabschnitt entlang der Costa Brava in die Provinzhauptstadt und zurück durch das Landesinnere. 200 Kilometer, auf denen mich kein einzelnes Auto zu nah überholt oder gar geschnitten hätte und kein einziger Autofahrer gehupt oder gar gepöbelt hätte. Ja. Das geht. Und ja, das ist für mich Katalonien.
Die Rad-Community hält zusammen
Wenn man sich übrigens nicht gut entscheiden kann bzw. möchte oder auch nicht gerne allein fährt, dann gibt es in Girona auch zahlreiche Möglichkeiten, sich einer Gruppe anzuschließen – oft sogar kostenlos. Die Sunday Salida von The Service Course ist so eine Möglichkeit. Sie fahren sonntags um 9 Uhr vom Shop in der Carrer Nord zu einer 70-80 Kilometer-Runde aus. Mit einem internationalen Teilnehmer*innenkreis und garantiert kurzweiligen Gesprächen. Kann nur sein, dass gerade ein Special Guest anwesend ist und dessen GA1-Tempo nicht mit dem eigenen korrespondiert. Mir so passiert mit Rusty Woods. Ja, der Rusty Woods, der gerade bei der Tour de France im gepunkteten Trikot gefahren ist. Aber auch das ein echtes Erlebnis! Auch die anderen Radläden bieten der Community sehr viel an. Jüngstes Beispiel: Das Eat Sleep Cycle. Eigentlich ein Radladen, seit Juli aber auch durch ein Café ergänzt. Ein Café, das sich aus einem Crowd-Funding-Projekt finanziert hat. Denn auch das ist Girona: Man hält in den wichtigen Dingen – und zu denen gehört das Radfahren - zusammen und kann auf die Gemeinschaft zählen.
Noch gar nicht erwähnt habe ich über die über 6.000 Kilometer Trails für’s Mountainbike und die paradiesischen Gravel-Roads, die gerade den letztgenannten Teilbereich des Radfahrens wirklich auf ein neues Level heben. Aber egal für welches Fahrrad, für welche Strecke und welches Terrain ihr euch entscheidet: Alles macht Spaß, weil das Radfahren Teil der dortigen Kultur ist – ebenso wie die Aufgeschlossenheit und die Neugier gegenüber Gästen. Und daher wird es für mich auch so schnell wie umsetzbar wieder heißen: bon dia, Catalunya!