Ovale Kettenblätter aus wissenschaftlicher Sicht

Dass Triathleten materialversessen sind, weiß ja bekanntlich jeder. Besonders beim über alles geliebten Rad kann gar nicht genug aufgerüstet werden. Aerodynamische Laufr

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Dass Triathleten materialversessen sind, weiß ja bekanntlich jeder. Besonders beim über alles geliebten Rad kann gar nicht genug aufgerüstet werden.

Aerodynamische Laufräder, leichter Rahmen oder Lenker sind nur ein paar Beispiele dafür, was so alles am Rad „getunt“ werden kann. In den letzten Jahren sieht man auch immer häufiger Athleten mit ovalen Kettenblättern. Welchen Nutzen diesen haben und ob sich eine Investition lohnt haben wir für euch genauer unter die Lupe genommen.

"Ziel: Effizenzsteigerung"

Allgemeines Ziel im (Leistungs-) Sport ist es meist immer die Leistung zu verbessern. Dies kann durch eine höhere Effizienz erreicht werden. Effizienz kann als Quotient aus Arbeit und Energieaufwand definiert werden. Um den Energieaufwand zu reduzieren wurden in den letzten Jahren zahlreiche Verbesserungen im Design der Fahrräder vorgenommen. Dadurch wird die Aerodynamik verbessert.

Eine weitere Möglichkeit die Effizienz zu steigern besteht darin, die Leistungsabgabe bei gleichem Energieaufwand zu erhöhen. Im Radsport kann hierbei am Kurbel-Kettenblattsystem angesetzt werden, da die Leistungsabgabe über dieses erfolgt. Ein Ansatz liegt dabei im Einsatz von ovalen Kettenblättern. Die theoretischen Hintergründe und Auswirkungen von diesen sollen genauer erläutert werden.

Pedalkraft & Trittzyklus

Der Trittzyklus beim Radfahren kann in 4 Regionen unterteilt werden (siehe Abbildung). Dabei werden die höchsten Pedalkräfte und Leistungen in der Abwärtsphase, sprich in Region 2, erzeugt. Wenn sich die Kurbelarme in vertikaler Position befinden (0° bzw. 12-Uhr Stellung und 180° bzw. 6-Uhr Stellung) ist die Pedalkraft hingegen am geringsten. Diese Punkte werden deshalb auch als „Totpunkte“ bezeichnet.

Rankin & Neptun (2008) Rankin & Neptun (2008)

Theoretischer Hintergrund Ovaler Kettenblätter

Ovale Kettenblätter haben das Ziel die Kraft in der Abwärtsphase besser nutzen zu können und die durchschnittliche Leistung während einer Pedalumdrehung zu erhöhen. Durch deren Einsatz ergibt sich ein größerer Hebelarm in der 90°-Position im Vergleich zu runden Kettenblättern. Außerdem verringert sich die Winkelgeschwindigkeit in der Abwärtsphase und ist bei 0° und 180° erhöht. Dadurch wird längere Zeit in der effektiven Abwärtsphase verbracht und die „Totpunkte“ werden schneller passiert. Es resultiert eine höhere durchschnittliche Leistung.

Rotor Q-Rings

Auf dem Markt gibt es derzeit diverse Typen von ovalen Kettenblättern mit unterschiedlichen Ovalitäten (Ovalität = Verhältnis größter und kleinster Durchmesser des Kettenblattes). Um die optimale Ovalität herauszufinden haben Ranking & Neptun (2008) eine dynamische Simulation eingesetzt.

Deren Ziel war es die Parameter des Kettenblattes so anzupassen, dass sich eine maximale durchschnittliche Kurbelkraft über eine Pedalumdrehung ergibt. Dies untersuchten sie für drei verschiedene Trittfrequenzen (60, 90 und 120 U/min), um verschiedene Geländetypen zu unterscheiden. Insgesamt konnten sie eine im Durchschnitt um 3 % gesteigerte Kurbelkraft von ovalen Kettenblättern gegenüber einem konventionellen, runden Kettenblatt identifizieren. Die Ovalität unterschied sich dabei jedoch je nach Trittfrequenz (60 U/min = 1,35; 90 U/min = 1,29; 120 U/min = 1,24).

"Theoretische Überlegungen belegen den Nutzen von ovalen Kettenblättern"

Anhand von theoretischen, biomechanischen Überlegungen und dynamischen Simulationen kann der Nutzen von ovalen Kettenblättern also belegt werden. Sind die Ergebnisse aber auch in die Praxis auf physiologische Parameter und die Radfahrleistung übertragbar?

Aktuelle Studienlage

Um ovalen Kettenblätter mit herkömmlichen, runden Kettenblätter zu vergleichen werden unterschiedliche Testverfahren angewandt. So können diese beispielsweise aus einem Zeitfahren von unterschiedlicher Länge bzw. Dauer, maximalen Ausbelastungstests, bei denen die Leistung stufenförmig bis zur Belastung gesteigert wird, oder aus submaximalen Tests, bei denen eine submaximale Leistung über einen bestimmten Zeitraum aufrecht erhalten wird, bestehen.

Hierbei werden dann je nach Studie unterschiedliche Parameter aufgenommen und miteinander verglichen. O´Hara, Clark, Hagobian & McGaughey konnten in einer Studie 2012 bei der Verwendung von ovalen Q-Rings der Firma Rotor eine signifikant geringere Zeit für ein 1 km langes Zeitfahren feststellen.

Außerdem war die durchschnittliche Leistung und Geschwindigkeit signifikant erhöht im Vergleich zu runden Kettenblättern. Cordova verglich in seiner Untersuchung 2014 ebenfalls Q-Rings mit herkömmlichen, runden Kettenblättern in einem Stufentest mit maximaler Ausbelastung. Zwar konnte bei der Verwendung von Q-Rings eine etwas höhere Leistung erzielt werden, die aber nicht signifikant war.

Einen Vergleich von ovalen Kettenblättern der Marke Osymetric machten Hintzy & Horvais in ihrer Studie 2015. Als Testverfahren setzten sie ebenfalls einen Stufentest mit maximaler Ausbelastung ein. Hierbei fanden sie eine signifikant höhere maximale Leistung bei der Verwendung von ovalen Kettenblättern.

Zusammenfassung

Der theoretische belegte Nutzen von ovalen Kettenblättern kann durch die derzeitige aktuelle Studienlage für die Übertragbarkeit in die Praxis nicht eindeutig belegt werden. Hierbei muss jedoch beachtet werden, dass sich die Testverfahren in den einzelnen Studien zum Teil erheblich voneinander unterscheiden und einen Verglich somit schwierig machen.

"Was viele Studien nicht beachten ist die Eingewöhnungsphase"

Außerdem weisen die Ergebnisse zum Teil große interindividuelle Unterschiede auf, sodass die Verwendung von ovalen Kettenblättern im Einzelfall durchaus einen großen Nutzen aufweisen kann. Was viele Studien des Weiteren nicht beachten ist die Eingewöhnungsphase, die ein Sportler benötigt. Aufgrund des veränderten Trittmusters kann es ggf. erst nach einigen Wochen zu koordinativen Anpassungen kommen, die dann zu einer Leistungssteigerung führen.

Literatur

Cordova, A., Latasa, I., Seco, J., Villa, G., & Rodriguez-Falces, J. (2014). Physiological Responses during Cycling With Oval Chainrings (Q-Ring) and Circular Chainrings. Journal of sports science & medicine, 13(2), 410. Hintzy, F., & Horvais, N. (2015). Non-circular chainring improves aerobic cycling performance in non-cyclists. European Journal of Sport Science, 1-6. O'Hara, C. R., Clark, R. D., Hagobian, T. A., & McGaughey, K. (2012). Effects of Chainring Type (Circular vs. Rotor Q-Ring) on 1km Time Trial Performance Over Six Weeks in Competitive Cyclists and Triathletes. International Journal of Sports Science and Engineering, 6(1), 25. Rankin, J. W., & Neptune, R. R. (2008). A theoretical analysis of an optimal chainring shape to maximize crank power during isokinetic pedaling. Journal of biomechanics, 41(7), 1494-1502.


M.Sc. Sportwissenschaft & Triathlon-Coach
Florian ist Sportler durch und durch. Neben Fußball und Wintersport ist vor allem eines seine große Leidenschaft: Triathlon. Er ist Master-Absolvent der Sportwissenschaften mit Schwerpunkt - Training und Diagnostik - und hat sein Hobby zum Beruf gemacht. Neben dem Training im Wasser, auf dem Rad oder in den Laufschuhen verbringt Florian daher viel Zeit mit Trainingsplanung, Trainingsanalyse und den neuesten Trainingsmethoden. Der Naturliebhaber genießt gern die Ruhe ohne viele Menschen um sich herum ... zum Beispiel beim Schreiben von neuen Beiträgen für die TIME2TRI Knowledge Base.

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