Der Sinn (und Unsinn?) der folgenden Kapitel erschließt sich dem Leser, wenn er ein typisches Beispiel meiner Erlebnisse der letzten Trainingslager kennenlernt. Es ist gerade mal 3 Wochen her, da war ich im Roadbike Triathlon Camp auf Mallorca, zusammen mit Lothar und Nicole Leder.
Die Firma STAGES war hier ebenfalls vor Ort und stellte interessierten Triathleten leihweise und zum Kennenlernen Powermeter zur Verfügung. Bei einer meiner ersten Ausfahrten war ich neugierig und sprach eine ganze Menge unterschiedlicher Athleten an und wie so häufig zuvor bekam ich hier oftmals Antworten wie
- Wattmessung ist nichts für mich - ist nur was für Profis
- ist mir zu wissenschaftlich, da verliere ich ja die Lust am Radfahren
- ist mir zu teuer
- ist mir zu aufwendig immer nach dem Training alles analysieren zu müssen
- verstehe ich sowieso nicht
- dann muss ich ja auch immer noch zusätzlich eine Leistungsdiagnostik machen
- usw.
Um ehrlich zu sein: für einen Weekend-Warrior und sogar für viele sehr ambitionierte Freizeitsportler sind diese Aussagen mehr oder weniger allesamt nicht zutreffend. Wattmessung macht gerade in diesem Bereich oft sehr viel Sinn - und genau darum geht es in den kommenden Kapiteln.
Was ist überhaupt „Watt“ und warum ist es auch für Freizeitathleten ein wichtiges Steuerelement im Training und im Wettkampf?
Ganz einfach - Watt ist die physikalische Maßeinheit für Energie über eine gewisse Zeiteinheit. Noch anschaulicher wird es, wenn man sich das einfach mal bildlich vorstellt. Nehmen wir zwei Fahrer mit gleicher Körpergröße, gleicher Sitzposition und gleichem Rad, die nebeneinander fahren. Auf einer flachen Strecke werden beide, wenn sie gleich schnell unterwegs sind, die exakt gleiche Wattzahl treten, egal in welchen Gängen sie jeweils unterwegs sind.
Wichtig: der Gang alleine entscheidet also nicht über den Wattwert!
Erst am Berg würde dann das jeweilige Körpergewicht die Wattwerte auseinander treiben, denn hier muss man schnell von 5 Watt pro Kg Körpergewicht ausgehen, die ein schwerer Fahrer ab ca. 7% Steigung mehr treten muss um die gleiche Geschwindigkeit wie ein leichterer Fahrer zu erreichen.
Ändern wir nun Komponenten am Rad wie z.B Aerolaufräder, nutzen eine flachere Sitzposition oder das deutliche Verringern des Systemgewichts, so kann es schnell passieren, dass bei gleicher Geschwindigkeit auf flacher Strecke 20-40 Watt weniger getreten werden müssen. Was kann mir der Wattwert während des Trainings oder des Wettkampfs sagen?
Auch hier können wir ein paar Beispiele aus dem alltäglichen Radsportlerleben heranziehen. Wenn ich im Sommer die Alpenpässe abfahre, erlebe ich immer wieder, wie bereits im ersten Abschnitt eines Passes viele Athleten an mir vorbeifahren.
Manchmal kommt man ins Gespräch und üblicherweise sage ich zum Abschied meist: "Na dann bis nachher" denn: viele von denen, die mich überholt haben, treffe ich im Laufe des Anstiegs wieder und meistens ziehe ich in einem konstanten Tempo an Ihnen vorbei Richtung Gipfel.
Oben angekommen höre ich dann häufig, dass ich hintenraus ja Richtung Tempo gemacht hätte. Verrückt, denn ich bin ziemlich konstant mit der gleichen Leistung, also der gleichen Wattzahl gefahren.
Viele überschätzen Ihre Kondition und bekommen hintenraus schwere Beine und können dann die Leistung nicht mehr halten.
Der Grund ist hier sehr einfach: viele überschätzen Ihre Kondition und bekommen hintenraus schwere Beine und können dann die Leistung nicht mehr halten. Im Gegenzug dazu weiß ich genau, dass ich z.B. 280-290 Watt über mehrere Stunden konstant fahren kann, ohne später einen Leistungsverlust zu erleiden.
Die Kontrollmöglichkeit der Werte über meinen Wattmesser hilft hierbei enorm. Aber es gibt noch viel simplere Beispiele. Wenn ich in einer Gruppe fahre und schwächere Fahrer dabei sind, kann ich vorne im Wind sehr genau die Leistung steuern, die auch die Mitfahrer hinter mir über eine längere Distanz aufrecht erhalten können.
Es gibt noch viele weitere Beispiele, die schnellt deutlich machen, wie hilfreich die exakt angezeigten Leistungswerte verwendet werden können. Ob alleine, im Training oder Wettkampf - die Steuerung über die Herzfrequenz ist hier viel zu ungenau. Genau damit werden wir uns im nächsten Kapitel beschäftigen.