Vor ein paar Tagen haben wir erstmals über eine aktuelle Studie der Goethe-Universität Frankfurt berichtet. Die Sportwissenschaftlerin Laura Maltry hat sich auf die Suche nach dem "unrunden" Gefühl gemacht, das viele Triathleten nach dem Wechsel vom Radfahren zum Laufen feststellen.
Eine kleine Richtigstellung
In unserem letzten Beitrag hatte sich leider ein kleiner Fehlerteufel eingeschlichen. Daher hier noch einmal die Daten zur Studie:
Gesucht werden männliche Triathleten, die im Jahr 2019 eine Langdistanz in einer Zeit von weniger als 09:30 Stunden finishen wollen bzw. gefinisht haben. Welche Langdistanz das ist und ob die Messung vor oder nach dem Wettkampf stattfindet, ist erst einmal egal.
Aktuell werden die Daten primär erhoben - eine Auswertung und Interpretation der Daten wird vermutlich erst im kommenden Jahr bereitstehen.
Interessierte Athleten können sich direkt mit Laura Maltry in Verbindung setzen.
Ihre Kontaktdaten:
Laura Maltry
Sportwissenschaftlerin M.A.
Goethe-Universität Frankfurt am Main
Institut für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin und Umweltmedizin
Mobil: 0176-23552568
E-Mail: maltry@med.uni-frankfurt.de
Messung mit Felix Hentschel
Am frühen Montagmorgen treffe ich mich mit Triathlon-Profi Felix Hentschel und dem Team der Goethe Universität Frankfurt am Frankfurter Mainufer und schaue gespannt zu, wie Felix verkabelt wird. Er trägt einen futuristischen Hightech-Ganzkörper-Anzug, durch den verschiedenste Kabel - im wahrsten Sinne des Wortes von Kopf bis Fuß - laufen. Laura erklärt, dass diese Anzüge auch in vielen Hollywood-Filmen für 3D-Animationen zum Einsatz kommen.
Konkret und fachlich korrekt betitelt, trägt Felix das personengebundene System MVN Link der niederländischen Firma Xsens. Das System stellt mittels 17 Bewegungssensoren, die jeweils aus Beschleunigungs- und Inertialsensoren sowie Gyroskopen bestehen, Lage- und Winkelinformationen sowie Beschleunigungs- und Geschwindigkeitsparameter des gesamten menschlichen Körpers bereit.
Die dazugehörige Software stellt die erhobenen Daten in Echtzeit in Form einer kinematischen Bewegungsrekonstruktion als biomechanisches Modell dar. Über einen Router werden sämtliche Bewegungen von Felix auf Lauras Laptop übertragen. Eine kleine Puppe bewegt sich auf dem Monitor völlig synchron zu ihm - Felix Spieltrieb ist geweckt und er bringt das kleine Männchen auf dem Bildschirm mit Hampelmann, Moonwalk und anderen Moves zum Tanzen. Wunder der Technik - es ist spannend zu sehen, wie genau selbst die kleinsten Bewegungen übertragen werden und wie sensibel die 17 Sensoren reagieren.
Ausgewertet werden die Daten von Physiker und Sportwissenschaftler Dr. Christian Maurer, der einen hohen Erfahrungsschatz im Auswerten von komplexen Laufanalysedaten aufweist.
Der Ablauf
Nach einem 20minütigen warm up - Lauf, bei dem der Anzug noch genauer kalibriert wird, geht es los. Felix Rad wird am Mainufer auf einer Rolle aufgebaut und eine 90 minütige Trainingseinheit auf der Rolle beginnt. Im Anschluss an die Einheit wird noch einmal ein Lauf über 4km absolviert, der im jeweiligen Wettkampftempo des Athleten stattfindet.
Das Ziel der Studie
Laura hat sich mit der Studie das Ziel gesetzt zu untersuchen, ob sich das Laufmuster von Langdistanz-Triathleten hinsichtlich Gelenkwinkel, Schrittlänge und Frequenz bei einem Koppel-Lauf von einem isolierten Lauf unterscheidet. Sollte ein Koppel-Effekt festgestellt werden, wird darüber hinaus untersucht, wie lange dieser anhält.
Hierbei werden sowohl das durchschnittliche Laufmuster, als auch die Variabilität untersucht. Es soll gezeigt werden, in welchen Freiheitsgraden die meiste Variabilität stattfindet und ob sich die Gelenkwinkel, aber auch die Schrittlänge in Abhängigkeit der Gelenkwinkel, im Zeitverlauf verändern. Auch Unterschiede des Körpers im direkten Seitenvergleich werden untersucht.
Der bisherige rote Faden für die Studie fehlt zum aktuellen Zeitpunkt noch - zu unterschiedlich waren die bisherigen Messungen. Allerdings sind gerade die Messungen und Interpretationen der Wissenschaftlichen für den jeweiligen Probanden höchst interessant. Muskuläre Dysbalancen, Defizite und Fehlbelastungen können hierüber entdeckt und transparent gemacht werden.
Das Wissenschaftler-Team erhofft sich darüber hinaus weitere Erkenntnisse. Vorstellbar wäre beispielsweise, dass einzelne Gelenke bei einem Koppel-Lauf mehr gebeugt oder gestreckt werden. Laura erklärt: die Hüfte wird beim Radfahren nie voll gestreckt, was aber beim Laufen im Moment des Fußabdrucks enorm wichtig ist. Es wäre also denkbar, dass die Hüfte nach dem Radfahren mehr gebeugt ist und einige Zeit braucht, um wieder ins normale Laufmuster zu finden. Auch wiederkehrende Bewegungsmuster ("steifer"laufen) könnten eine Erkenntnis sein.
Solltet ihr der Zielgruppe entsprechen (männlich, Zielzeit Langdistanz in 2019 unter 09:30) dann meldet euch bei den Kollegen an der Goethe Universität und werdet Proband für die Studie! Eine genauere Analyse eures Körpers werdet ihr so schnell wohl nicht mehr erhalten!
Felix Ergebnis
Die Messung zeigt: Felix Laufmuster ist insgesamt sehr homogen und unterstreicht seine langjährige Lauferfahrung auf hohem Niveau. Dennoch zeigt die Analyse seines Laufstils leichte Unterschiede im Vergleich der rechten und linken Körperhälfte. Obwohl Felix sehr schnell in seinen gewohnten Laufstil findet, konnten auch bei ihm leichte Koppeleffekte gefunden werden, diese sind hauptsächlich in den Kniegelenken und in der linken Hüfte aufgetreten. Auch marginale Aufwärmeffekte beim ersten isolierten Lauf sind im Bereich der Schwungbeinphasen und des Fußaufsatzes festzustellen.
In Sachen Bewegungsvariabilität ist bei Felix in allen Läufen die Schwankung in der Rotation und der Flexion/Extension des aktiven Sprunggelenks (links und rechts) am höchsten (ca. 10% der Gesamtvariabilität). Besonders im letzten Teil der Standphase sind hier Schwankungen festzustellen. Über den gesamten Koppellauf werden Knie und Sprunggelenk des linken Schwungbeines mehr gebeugt als auf der rechten Seite, in den isolierten Läufen fiel dies nicht auf.
Beim ersten isolierten Lauf sind leichte Aufwärmeffekte erkennbar. Hier wird das Schwungbein sowohl rechts als auch links zunächst mehr gebeugt und der Fußaufsatz findet anfangs eher über die Außenkante statt.
Und tatsächlich ist auch ein Koppeleffekt feststellbar: im Koppellauf zeigen beide Knie während der Standphase leichte zeitliche Anpassungen. Während sie zu Beginn des Laufs gestreckter sind, werden sie mit zunehmender Laufzeit mehr gebeugt. Außerdem ist die linke Hüfte zu Beginn des Koppellaufs ein wenig mehr gebeugt als die rechte. Nach ca. 3 Minuten befinden sich beide Hüften auf einem ähnlichen Niveau. Beides war in den isolierten Läufen nicht zu erkennen.
Es ist anzumerken, dass diese Ergebnisse lediglich die individuellen Laufmuster beschreiben. Eine abschließende Beurteilung, relativ zur Population der ambitionierten Triathleten, kann erst nach Veröffentlichung der gesamten Studienergebnisse erfolgen.