Spricht man mit Athleten über Herzratenvariabilität ist die erste Frage üblicherweise: "Was ist eigentlich HRV und wozu brauche ich das?" Da die Basics von HRV bereits ausführlich in einem früheren Artikel erklärt wurden, konzentriere ich mich in diesem Artikel auf den zweiten Teil der Frage, auf das „wozu“.
Durch HRV-Messungen erhalte ich Auskunft über Stress-Level sowie Leistungsfähigkeit und -entwicklung.
Auf den eigenen Körper hören
Wir als Athleten und Trainer sind ständig äußeren Einflüssen ausgesetzt. Wer kennt ihn nicht, den „Stress“ im Beruf, Lärm, Termine, eigene Erwartungen, spätes Essen und vieles mehr. Das führt unter anderem zu weiteren Fragen:
- Welchen Einfluss hat das auf mein Training?
- Bin ich mit diesem oder jenem Training zu sehr belastet?
- Habe ich ein optimales Verhältnis zwischen Be- und Entlastung?
- Habe ich eine Leistungssteigerung?
Ich habe die Erfahrung gemacht, dass wenn wir auf unseren Körper hören, wir die genannten Fragen meist selbst beantworten können. Oft ignorieren wir aber die Hinweise und arbeiten konsequent, ohne Rücksicht auf Verluste, unseren Trainingsplan ab. Darüber hinaus haben wir durch viele weitere Metriken standardisierte Angaben, die zusätzlich Einfluss auf unsere Trainingsarbeit und Umsetzung nehmen.
Hier wäre es schön, eine Möglichkeit zur Messung und Visualisierung des subjektiven Befindens und der subjektiven Wahrnehmung zu haben, oder? Genau das erfüllt die HRV-Morgenmessung. Sie liefert eine objektive Methode, um Auskunft über „Stress-Level“ sowie Leistungsfähigkeit und deren Entwicklung zu erhalten.
Die HRV-Messung hat mir geholfen, sensibler mit mir und meinen Athleten umzugehen und mich/meine Athleten besser kennenzulernen und einzuschätzen.
Mein erster Kontakt mit HRV-Morgenmessungen entstand über verschiedene Studien zur Herzratenvariabilität. Sie haben mich als Trainer begeistert, da ich immer daran interessiert bin, weitere Parameter zur Trainingssteuerung kennen zu lernen.
Vor ca. 6 Jahren hat dann der ehemalige Profi-Langstreckenläufer Martin Beckmann einen Kontakt zu Prof. Johannes Maucher hergestellt, der zu dieser Zeit damit begonnen hatte, einen Algorithmus zu entwickeln, um über eine morgendliche Messung von 5 Minuten, die HRV darzustellen. Sehr gerne nahm ich das Angebot an und nahm mit meinen Athleten an einem Testprogramm teil. Entstanden ist daraus das HRV-Tool Spikee, welches ich seit dem kontinuierlich einsetze, ebenso wie HRV zur Trainingssteuerung.
HRV, ein objektiver Begleiter für Trainer
Wir steuern unter anderem mit dem Feedback unserer Athleten ihr Training - ich nutze hierzu z.B. eine umgedrehte Borg-Skala. Als Trainer schätze ich aber, dass ich mit den HRV-Messungen neben den subjektiven Aussagen des Athleten, eine weitere „objektive Information“ erhalte. Dadurch habe ich die Möglichkeit gezielter nachzufragen bzw. auch eine Bestätigung über das Training zu erhalten.
Beispielsweise war einer meiner Athleten beruflich oft auf Reisen. Diese Reisen nach Osten, das „ungewohnte, späte Essen“, der Wechsel zwischen Hitze und Klima-Anlage hat dazu geführt, dass wir nach Rückkehr nahezu 3-4 Tage mit reduzierten Training arbeiten mussten, bis wieder an ein geregeltes Training zu denken war. Zuvor haben wir „nur“ 1-2 Tage gewartet und sind dann wieder in ein strukturiertes Training eingestiegen, welches oft dann zu einem mehrtägigen Ausfall, z.B. durch Erkältung, geführt hat. Wenn wir an solch einem Beispiel das Trainingsprinzip „Kontinuität“ zugrunde legen, dann haben wir im Gesamtblick bei diesem Athleten eine bessere Entwicklung erzielt.
Neben den HRV-Messungen arbeite ich natürlich auch weiterhin z.B. mit konkreten Trainingszielen (wenn der Athlet das Ziel der Einheit kennt, wird das persönliche Feedback konkreter) und bekannten Mess-Methoden wie Powermeter, GPS, Herz-Kreislauf etc.
Vorteile | Nachteile |
➕ Neutrale Aussage zum persönlichen Feedback | ➖ Disziplin zur morgendlichen Messung |
➕ Erkennen was einen mehr bzw. weniger belastet | ➖ Durch plötzliche Einfälle kann ein „falsches Ergebnis“ angezeigt werden |
➕ Sensibilisierung der eigenen Wahrnehmung und des eigenen Verhaltens | |
➕ Möglichkeit zum Erkennen von Übertraining, Krankheiten, etc. |
Auch für Altersklassen-Athleten interessant!?
Wenn ich als Altersklassen-Athlet die Frage: "Was spricht gegen die HRV-Messung?" beantworten müsste, dann wäre meine spontane und überzeugte Antwort, „jeden“ Morgen daran zu denken, eine 5-minütige Ruhemessung durchzuführen. Das ist in der Tat eine Hürde, da z.B. der Pulsmesser gleich neben dem Bett liegen muss. Auf der anderen Seite erhalte ich viele Informationen über mich, die Gold wert sind: Wie reagiert mein Körper auf spätes Essen, wie verkrafte ich Hitze, wie verkrafte ich das Reisen, reagiert mein Körper eher auf Umfang-Training oder auf Intensitäten. Sprich die Sensibilisierung über unser Verhalten nimmt zu!
HRV ist für mich ein „objektiver Begleiter“ in meiner täglichen Arbeit als Trainer geworden.
Zusammenfassung
Durch den langjährigen Einsatz von HRV kann ich heute sagen, dass die morgendliche HRV-Messung ein wichtiger Parameter für mich geworden ist, welcher aktiv in meine Trainingssteuerung einfließt.
Als Athlet hat mir die HRV-Messung persönlich dabei geholfen, sensibler mit mir als Person umzugehen und mich besser einschätzen zu können. Für mich als Trainer ist HRV ein „objektiver Begleiter“ in meiner täglichen Arbeit geworden, mit dem ich meine Athleten besser kennenlerne und verstehen kann, wie sie auf Reize (Training und auch Stress von außen) reagieren und wie ich dies bewerten kann.
Bei allen Vorteilen ist aber wichtig, dass die HRV-Messung ein Parameter von 4-5 weiteren ist, welcher nicht das persönliche Feedback des Athleten ersetzt!