Hat die Sportpsychologie eine Daseinsberechtigung im Triathlon?

Wieso sollte jedoch ein Athlet, der physisch das Zeug für die Weltspitze hat, dem jedoch mental etwas fehlt, nicht mit einem Sportpsychologen zusammenarbeiten, um seine ganze Leistung abrufen zu können?

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Kurz vor dem Ironman Hawaii wurde auf der TIME2TRI Knowledge Base ein Interview von Stephanie Päthe mit Faris Al Sultan veröffentlicht, der sich in diesem kritisch gegenüber der Sportpsychologie äußerte. An anderer Stelle äußerte ich mich zu diesem Thema.

Die Reaktionen zeigten, dass die Sportpsychologie im Triathlon angekommen ist – sie zeigten aber auch, dass sich Vorurteile halten, die auf fehlenden Informationen oder auch schlechten Erfahrungen mit unseriös arbeitenden Mentaltrainern beruhen.

Der Nutzen der Sportpsychologie

Die Sportpsychologie hat ihre Wurzeln in der Psychologie und hat nichts mit Homöopathie zu tun. Seit 2013 wissen wir, dass mentales Training neue Hirnzellen entstehen lässt. Unbestritten ist, dass zur Optimierung der Leistung die Optimierung sämtlicher Komponenten von Bedeutung ist, sowohl der Physischen als auch der Psychischen. Sportpsychologie ist in der modernen Trainingslehre somit ein Baustein, der sich zwischen physisches Training und Ernährung einreiht und zum Ziel hat, die Leistung des Athleten zu verbessern. In anderen Phasen der Karriere kann das Ziel die Stabilisierung der Leistung sein, in wieder anderen eine Unterstützung in Krisen.

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Wir wissen, dass mentale Faktoren für den Erfolg wichtig sind. Doch wovon reden wir, wenn wir von Sportpsychologie sprechen? Ich möchte den Einsatz von sportpsychologischen Methoden und Techniken gern an ein paar Beispielen verdeutlichen. Grundlegend ist z.B. der Einsatz von Techniken, die sich auf die Entspannungsfähigkeit auswirken.

Diese können eingesetzt werden, um Stress abzubauen oder auszuhalten, wie er vor dem Start oder im Rennen auftreten kann. Es kommt aber auch vor, dass Athleten zu entspannt sind, um ihre optimale Leistung abzurufen und somit der Einsatz aktivierender Techniken nötig ist, um den optimalen Erregungszustand zu erreichen.

"Wir wissen, dass mentale Faktoren für den Erfolg wichtig sind."

Eine weitere Grundlage für die sportpsychologische Arbeit sind Visualisierungen, häufig auch mentales Training genannt. In zahlreichen Studien konnte belegt werden, dass es für das Gehirn keinen Unterschied macht, ob eine Situation tatsächlich oder in Gedanken erlebt wird. Beides stärkt und festigt die entsprechenden neuronalen Netze.

Visualisierungen können mit verschiedenen Zielen eingesetzt werden. Ein mögliches Ziel ist eine Technikverbesserung in den unterschiedlichen Disziplinen, ebenso können Wechsel mental durchgespielt und dadurch verbessert werden.

Visualisierungen können für die Erarbeitung von Wettkampfstrategien und die Vorbereitung von Reaktionen auf verschiedenste Ereignisse genutzt werden. Ebenso beschleunigen sie den Heilungsprozess nach Verletzungen und beeinflussen im Wettkampf das Schmerzempfinden.

Die richtigen Entscheidungen treffen

Um im Wettkampf gut reagieren zu können ist Konzentrationsfähigkeit von Bedeutung. Sportpsychologische Techniken setzen hier an und können helfen die richtigen Entscheidungen zu treffen, auf Ablenkungen zu reagieren oder auch mit Schmerzen umzugehen. Der Einsatz von Routinen kann dabei sehr nützlich sein.

"Den Umgang mit Angst zu erlernen kann den Trainingsweltmeister dabei unterstützen, seine Leistung auch im Wettkampf abzurufen und Stress nicht mehr zu negativ wahrzunehmen."

Die Erarbeitung von Strategien zur Verbesserung des Selbstvertrauens und der Willensfähigkeit macht sich in Momenten bezahlt, in denen man an sich und der Umwelt zweifelt. Diese Momente kennt wahrscheinlich jeder Triathlet, doch hat auch jeder in diesen Momenten die passende Antwort parat? Den Umgang mit Angst zu erlernen kann den Trainingsweltmeister dabei unterstützen, seine Leistung auch im Wettkampf abzurufen und Stress nicht mehr zu negativ wahrzunehmen. Und wer kennt sie nicht, diese Selbstgespräche?

Im Wettkampf und im Training ist es wichtig sich vom Monster, das gegen uns ist, nicht einschüchtern zu lassen. Richtig angewendet können Selbstgespräche sogar äußerst positiv wirken! Sportpsychologisch gesehen geht es zu Saisonbeginn häufig um das Thema Zielsetzung. Hierbei geht es nicht allein darum sich Ziele zu setzen, sondern auch systematisch zu überlegen welche Ziele man auf welche Art und Weise erreichen möchte, was man als Sportler hierfür schon mitbringt und was noch nötig ist.

Zwischenziele und Prozessziele halten auf dem Weg zum Erfolg in der Spur und die Motivation aufrecht. Zudem ist die Überprüfung von Zielen ein wichtiger Indikator für die Leistungsentwicklung.

Wer einen Sportpsychologen benötigt

Und zu guter Letzt kann ein Sportpsychologe ein guter Ansprechpartner in einer Krise sein und auf dem Weg aus dieser heraus unterstützen. Natürlich benötigen nicht alle Triathleten einen Sportpsychologen. Ich habe in diesem Artikel viel Wert darauf gelegt die Sportpsychologie zu betonen und nicht den Sportpsychologen.

Viele Sportler nutzen Techniken instinktiv oder haben sich ihr Wissen selbst erarbeitet. Hilfreich kann der Gang zum Sportpsychologen sein, wenn sich der gewünschte Erfolg nicht einstellt, man Unterstützung bei der systematischen Erarbeitung benötigt oder wenn sich Probleme in einem der angesprochenen Bereiche zeigen, bei deren Lösung man Unterstützung benötigt.

Eine wichtige Erkenntnis ist, dass mentale Stärke trainiert werden kann. In den kommenden Monaten werde ich immer mal wieder die eine oder andere Technik erklären und dem motivierten Leser einen Einblick in die Sportpsychologie bieten.

Um noch einmal bei Faris zu bleiben: selbstverständlich ist es wichtig, dass Spitzenathleten am Wettkampftag mental stark sind. Wieso sollte jedoch ein Athlet, der physisch das Zeug für die Weltspitze hat, dem jedoch mental etwas fehlt, nicht mit einem Sportpsychologen zusammenarbeiten, um seine ganze Leistung abrufen zu können?


Psychologe, M.Sc. / Sportpsychologe / staatl. geprüfter Physiotherapeut
Christian ist unser Mann fürs Köpfchen - seine Beiträge beschäftigen sich mit dem Zusammenspiel aus Körper und Geist. Er ist nicht nur Psychologe sondern auch begeisterter Triathlet und weiß aus erster Hand: Sportler ticken anders. Durch seine Kombination aus Sport und Psychologie kann er nachvollziehen, welche Gefühle mit Sieg und Niederlage einhergehen, wie Druck von außen aber auch innen wächst, aber auch wie Begeisterung und Euphorie antreiben und dabei helfen, die eigenen Ziele zu erreichen und über sich selbst hinauszuwachsen.

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